Ringvorlesung WiSe 2009/2010

Erinnern   Verdrängen   Bewältigen   Bewahren
Die Frage nach der Möglichkeit erinnerungskultureller Interventionen einer emanzipativen Pädagogik

sio_ringvorlesungen_posterErinnerung gestalten ist Politik. Jede Gegenwart entwirft sich ihre Vergangenheit nach ihrem Bild und ist zugleich stets von ihr bedroht. Denn die Geschichte kann Zeugnis ablegen, dass es dereinst anders war und die herrschende Gesellschaftsordnung nicht die einzige historisch mögliche ist. Erinnerung ist somit auch ein integraler Bestandteil pädagogischer Prozesse.

Am Schnittpunkt von Erinnerungskultur, Politik und Pädagogik setzt unsere Ringvorlesung an. Hegemoniale Erinnerungsdiskurse sollen aus emanzipativer Perspektive analysiert werden. Welche Rolle spielen unterschiedliche Erzählungen von Vergangenheit für die Konstruktion und Legitimation von Gegenwart? Wo sind Möglichkeiten kritischer politischer und pädagogischer Interventionen auffindbar? „Vergangenes historisch artikulieren heißt nicht, es erkennen ‚wie es denn eigentlich gewesen ist’. Es heißt, sich einer Erinnerung bemächtigen, wie sie im Augenblick einer Gefahr aufblitzt“ (Walter Benjamin).

1. Theorien von Erinnerung
Wie wird Erinnerung auf der gesellschaftlichen und individuellen Ebene tradiert? Im ersten Teil der Ringvorlesung sollen hegemoniale und kritische Diskurse über Erinnerung vorgestellt und analysiert werden.  Neben der Klärung grundlegender Begriffe wie ‚kommunikatives’ und ‚kulturelles’ Gedächtnis und Überlegungen zu psychologischen Voraussetzungen von Erinnerung stehen daher auch die politischen Rahmenbedingungen von Erinnerungserzählungen in Deutschland zur Debatte.

2. Erinnerungskulturen
Erinnerungsdiskurse finden in einer Gesellschaft statt, die durch Ungleichheiten in der Definitionsmacht und (diskursive) Ausschlüsse gekennzeichnet ist. Im zweiten Teil unserer Ringvorlesung geht es daher um die Erinnerungskulturen und das historische Gedächtnis marginalisierter Gruppen im Verhältnis zu dominanten Geschichtsnarrativen. Aus der Perspektive der Migrations-, Dis/ability- und Geschlechter-forschung soll die Bedeutung von Erinnerung in der Erkämpfung emanzipativer Ziele analysiert und die Geschichte sozialer Kämpfe selbst in den Blick genommen werden.

3. Erinnerung in Bildungsarbeit und Praxis
Die Auseinandersetzung mit dem Gewordensein der gegenwärtigen Lebensverhältnisse spielt eine gewichtige Rolle in Bildungsprozessen. Im dritten Teil der Vorlesung werden neben einem kritischen Blick auf die Geschichte der Pädagogik Konzepte zur Erinnerungsarbeit an Schulen und konkrete Praxisprojekte vorgestellt. Es sollen mögliche Perspektiven gewonnen werden für den Umgang mit Erinnerung innerhalb einer emanzipativen, ‚parteilichen’ Pädagogik, die nicht die dominanten Erzählungen und Ausschlüsse reproduziert.

Die Termine:
mittwochs  14:00–15:30 Uhr  H2/Gebäude 216  |  Humanwissenschaftliche Fakultät

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Theorien von Erinnerung

Mi 14.10.
Einführung

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Mi 21.10.
Vorstellung des StAVV, von »school is open« und der Ringvorlesung
Silke Kargl

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Mi 28.10.

Der Holocaust im europäischen Gedächtnis Dr. Anne Klein
Die „NS-Ordensburg“ Vogelsang als „Ausbildungsort ohne Opfer?” –
Eine Kritik erinnerungskultureller Diskurse in der Eifel.
David Stoop

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Achtung Änderung: Fr 06.11. 12–14:00 Uhr, R 9
Periodisierung von Geschichte. Denkmäler der Zeit.
Prof’in. Aleida Assmann

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Mi 11.11.
Erinnerungskultur und Opferdiskurse.
Dr. Samuel Salzborn

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Mi 18.11.
Instrumentalisierung von Geschichte: Zur Renationalisierung der politischen Kultur Deutschlands im Jahr 2006.
Dr. Thomas Dörfler

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Erinnerungskulturen

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Mi 25.11.
Geschichte und Gedächtnis in der Einwanderungsgesellschaft: Diesseits und jenseits der Nation.
Rainer Ohliger

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Mi 02.12.
Kritik der Erinnerung – feministische Perspektiven auf Geschlechterrepräsentationen in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus.
Prof’in. Astrid Messerschmidt

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Mi 09.12.
Faschismus: ein sozialpädagogisches Problem? Zur Verharmlosung der Geschichte und der gesellschaftlichen Mitte.
Wolfgang Dreßen

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Mi 16.12.
Dis/ability history: Warum und wozu brauchen die Disability Studies eine Erinnerungskultur?
Prof’in. Anne Waldschmidt

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Erinnerung in Bildungsarbeit und Praxis

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Mi 13.01.
Erziehungswissenschaft ohne Gedächtnis – Zum Umgang der deutschen Pädagogik mit ihrer NS-Vergangenheit.
Prof. Wolfgang Keim

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Mi 20.01.
Gedenken – erziehen – vermitteln. Spannungsfelder einer „Erziehung nach Auschwitz“  in Schulen und Gedenkstätten.
Prof. Wolfgang Meseth

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Mi 27.01.
Jasmin Schenk (Frauenmediaturm)
Martin Rapp (DOMiT e.V. – Verein für ein Migrationsmuseum)
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Mi 03.02.
Abschluss