74 Jahre nach den Novemberpogromen von 1938 gehört der Verweis auf die erbrachten Aufarbeitungsleistungen der bundesdeutschen Erinnerungskultur zur Legitimationsbasis eines neuen Nationalgefühls, dass die Untiefen der Schlussstrichdebatte somit auf ganz perfide Weise austrickst. In Zeiten, in denen an deutschen Schulen der Gebrauch der Worte „Du Jude“ als Schimpfwort mittlerweile wieder Hochkonjunktur hat, zeigt sich jedoch, dass es um die Nachhaltigkeit jener Aufarbeitungsleistungen nicht allzu weit her sein kann.
Darüber hinaus erweist sich alleine eine kritische Betrachtung des Begriffs von der Aufarbeitung der Vergangenheit als problematisch, impliziert dieser doch im allgemeinen Sprachgebrauch auch oft genug das Fertigwerden mit dem Aufgearbeiteten, auf dass man mit ihm sich nicht mehr auseinandersetzen müsse. Darüber hinaus speist sich in der dritten bis vierten Generation nach Auschwitz die affektive Abwehr der Erinnerungsaufgabe oft genug aus der „Fiktion des Beschuldigtwerdens“ (Astrid Messerschmidt, 2006) in der die Verantwortung für die Erinnerung mit der Schuld für das Geschehene verwechselt und somit unterschiedslos beides als unzumutbar von sich gewiesen wird.
Im Rahmenkonzept zur Gründung einer inklusiven Praxisschule fassen wir die Dimension der Erinnerung als zentral für alle Lernprozesse (S.69) und stehen somit ein für einen pädagogischen Umgang mit der Erinnerung an die Shoa, der dieser Erinnerung keinerlei instrumentellen Charakter zuweist bis auf den, einer Wiederholung des Geschehenen entgegenzuwirken.