7903 Erziehung zur Lohnarbeit Ein Lektüreseminar zur klassischen Schulkritik
DozentIn: Anke Clasen (aclasen@uni-koeln.de)
Termin: Montag, 17.45 bis 19.15 Uhr
Beginn: 12. Oktober 2009
Raum: Raum 6 in der Möbelfachschule (Frangenheimstr. 6)
Lektüreseminar
„Der Schüler lernt (in der Schule) alles, was nötig ist, um im Leben vorwärts zu kommen. Es ist dasselbe, was nötig ist, um in der Schule vorwärts zu kommen. Es handelt sich um Unterschleif, Vortäuschung von Kenntnissen, Fähigkeit sich ungestraft zu rächen, schnelle Aneignung von Gemeinplätzen, Schmeichelei, Unterwürfigkeit, Bereitschaft, seinesgleichen an die Höherstehenden zu verraten und so weiter und so weiter.“ (Brecht)
Das hat wenig mit dem Anspruch der Bildung auf angemessenes Verstehen zu tun…
Wie der Titel schon erahnen lässt, geht es in diesem Seminar um die These, dass die Pädagogik in der bürgerlichen Gesellschaft lediglich ein Herrschaftsinstrument ist, dem es darum geht die gegebenen ökonomischen Verhältnisse, also die Produktionsart, oder kurz: die bestehenden Machtstrukturen in unserer Gesellschaft zu erhalten. So kann die Schule eher als eine Selektionsmaschinerie für den jeweiligen Marktbedarf betrachtet werden und weniger als ein Mittel zur Emanzipation.
Wie lässt sich beispielsweise trotz des allgemeinen Wissens über den eklatanten Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und dem Bildungserfolg die weitere (Re-)Produktion von sozialer Ungleichheit durch die Institution Schule rechtfertigen? Was lernen SchülerInnen, deren Pflicht es ist viele Jahre die Schule zu besuchen, neben den offiziellen Bildungsplänen? Welche Werte und Normen werden durch die spezifische Struktur des deutschen Bildungswesens vermittelt?
Um diesen und noch weiteren Fragen nachzugehen lohnt sich die Lektüre der Schulkritik aus den 1960er und 1970er Jahren. Anhand verschiedener Textauszüge wie beispielsweise von Bowles und Gintis „Pädagogik und die Widersprüche der Ökonomie“, oder von Ivan Illich „Die Entschulung der Gesellschaft“, werden wir uns der Thematik nähern. Zudem kann der Blick auf die aktuelle Debatte über das gegliederte Schulsystem zu kontroversen Diskussionen anregen. Vielleicht gelingt es durch die Beschäftigung mit radikalen und kritischen Texten den Geist dahingehend zu öffnen, dass das, was uns an Institutionen „normal“ oder gar „natürlich“ erscheint, veränderbar ist.
Alternative Pädagogik ist nicht möglich ohne die Überwindung des Primats der Lohnarbeit.
Literatur
Adorno, Theodor W. (2006): Theorie der Halbbildung, Frankfurt am Main.
Bourdieu, Pierre/Passeron, Jean Claude (1971): Die Illusion der Chancengleichheit, Stuttgart.
Bowles, Samuel/Gintis, Herbert (1978): Pädagogik und die Widersprüche der Ökonomie. Das Beispiel USA, Frankfurt am Main.
Brecht, Bertold (2000): Flüchtlingsgespräche, Frankfurt am Main.
Dreeben, Robert (1980): Was wir in der Schule lernen, Frankfurt am Main.
Illich, Ivan (1973): Entschulung der Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg.
Huisken, Freerk (2001): Erziehung im Kapitalismus, Hamburg.
Lenhardt, Gero (1984): Schule und bürokratische Rationalität, Frankfurt am Main.
Meinhof, Ulrike Marie (1971): Bambule. Fürsorge – Sorge für wen?, Berlin.
Reimer, Everett (1972): Schafft die Schule ab! Befreiung aus der Lernmaschine, Hamburg.
Waldrich, Hans-Peter (2007): Der Markt, der Mensch, die Schule, Köln.
Willis, Paul (1979): Spaß am Widerstand. Gegenkultur in der Arbeiterschule, Frankfurt am Main.
Zuordnungen/Module:
BA EZW – BM3 – Seminar 2 (103030)
BA EZW – BM3 – Seminar 1 (103020)
LA GHRGe/Sopäd – EWS – BM1 – BS1 – Einführung in päd. Wahrnehmen, Denken und päd. Handlungsfelder (331010)
Diplom – Grundstudium (94101)